Sagnac, Michelson & Co
Relativität zum "Anfassen"
Rüdiger Rodloff
Hintergrundbild - DLR - Experimental-Laserkreisel - ELSY
Michelson und Sagnac aus der Sicht von Herrn Einstein
Wir werden jetzt endlich (!) eine widerspruchsfreie Erklärung für die Resultate des Michelson- und des Sagnacexperimentes erhalten. Wir werden die Frage beantworten können und vielleicht das Problem lösen, ob der Sagnac wirklich ein "reinrassiger" relativistischer Effekt ist ?
Zunächst müssen wir dazu etwas theoretische Vorarbeit leisten, - aber keine Angst - sie brauchen nicht mehr Mathematik als bisher, wir werden uns lediglich etwas genauer die Bewegungsrichtungen des Signals (z.B. der Lichtwelle) und des Gesamtsystems (Interferometer) ansehen !
Wir hatten bislang immer angenommen, das die Bewegungsrichtung des Signals im jeweiligen Interferometerarm genau parallel, bzw. senkrecht, zur Bewegungsrichtung des Gesamtsystems verläuft, so wie hier im Michelsoninterferometer :
Auch für das ringförmige Sagnacinterferometer hatten wir angenommen, dass der Drehpunkt exakt im Zentrum des ringförmigen Lichtleitsystems liegt, so dass die Bewegung des Lichleiters immer exakt parallel zur Bewegungserichtung der Lichtwelle verläuft:
Diese Spezialisierung auf eine bestimmte Konfiguration ist in der Literatur üblich, hat uns die Rechnung erleichert, aber vielleicht auch den Blick auf die eingangs formulierten Fragen verstellt die für die praktische Anwendung als Navigationssensor von großer Bedeutung sind.
(Rolle der Signalgeschwindigkeit, u.s.w.). Also los ! Wie wollen wir es angehen?
Die Grundidee ist die folgende: Wir berechnen die Laufzeit einer Lichtwelle in einem Führungssystem (z.B. in einer Glasfaser), während sich die Anordnung selbst in eine beliebige andere Richtung bewegt; z.B. so wie in der Skizze hier links gezeigt!
Oder anders ausgedrückt: Wir berechnen die Signallaufzeit für ein Streckenelement ds' und integrieren anschliessend über den gesamten Laufweg.
Uns interessiert dabei die Laufzeit des Signals sowohl für den für den Hin- als auch für den Rückweg !
Wir führen diese Rechnung zunächst nur für ein kleines Streckenelemente ds' durch. In einem späteren Schritt können wir diese Streckenelemente dann zu einem vollständigen Strahlverlauf zusammensetzen, - z.B. zu einem kreisförmigen wie beim Sagnacinterferometer. Aber für die Klärung einiger Grundsatzfragen wird das gar nicht nötig sein!
Wir wollen die Situation 'mal etwas "mathematischer" darstellen:, damit wir anschliessend besser rechnen können.
Die Pfeile (Vektoren) in der folgenden Skizze zeigen die Wegstrecken die der Lichtwellenzug mit der Geschwindigkeit c' (rot) und das Interferometer mit der Geschwindigkeit v (schwarz) in der Zeit dt' zurücklegen:
Wir verwenden hier "gestrichene Größen" (z.B. ds', dt',...), um deutlich zu machen, daß wir uns auf einen außerhalb des Systems ruhenden Beobachter beziehen, denn nur für diese Situation ist eine Laufweg- bzw. Laufzeitbetrachtung möglich!
(Ein mit dem Messsystem mitbewegter Beobachter kann wegen des Relativitätsprinzips grundsätzlich keine gleichförmige Bewegung registrieren.)
Jetzt müssen wir etwas Trigonometrie bemühen - aber alles kein "Tiefsinn" !
Der COSINUSSATZ beschreibt die Beziehung zwischen den Seitenlängen und dem Cosinus eines Winkels in einem beliebigen Dreieck (s.u.) - z.B.:
c2 = a2 + b2 - 2ab cos(gamma)
oder:
a2 = b2 + c2 - 2bc cos(alpha)
oder:
b2 = a2 + c2 - 2ac cos (beta)
Während die Lichtwelle das Wegstreckenelement ds' (rot) in der Zeit dt' durchläuft, wird das gesamte System (Interferometer) mit der Geschwindigkeit v um den Betrag vdt' (schwarz) verschoben. Der Winkel zwischen dem Wegstreckenelement und der äußeren Bewegungsrichtung ist . Aus der Überlagerung dieser beiden Bewegungen ergibt sich die resultuierender Wegstrecke c'dt' (rot gestrichelt).
Wir wollen nun für den Hinweg und den Rückweg die jeweiligen Signallaufzeiten berechnen, - zunächst für den "Hinweg" (linke Skizze oben).
Nach dem Cosinussatz ergibt sich für den "Hinweg" die resultierende Wegstrecke c'dt'hin
und für den "Rückweg":
(Dabei wurde die Beziehung benutzt !)
Diese Beziehungen werden wir nun dazu verwenden um die Signallaufzeiten für den Hinweg dt'hin und für den Rückweg dt'rück zu berechnen; dazu müssen wir die obigen quadratischen Gleichungen nur nach dt' hin/rück auflösen. Hier das Ergebnis:
Zum Vergleich mit den Ergebnissen aus den vorhergehenden Kapiteln sollten wir 'mal kurz den Lichtwellenzug parallel zur äußeren Geschwindigkeit v legen, d.h. = 0 setzen. Dann erhalten wir für den Sagnaceffekt:
und für den Michelsoneffekt:
Zum Vergleich, bitte klicken: Sagnac / Michelson
Im Gegensatz zu früheren Ergebnissen haben wir hier um Verwechslungen zu vermeiden nicht auf die
Abkürzung zurückgegriffen, denn in der
ursprünglich von Einstein eingeführten Schreibweise ist mit c immer die Vakuumlichtgeschwindigkeit co gemeint.
Damit sind wir eigentlich schon fertig !
Mit diesen Laufzeiten dt'hin/rück lassen sich nun die Effekte für das Michelson- und das Sagnac-Interferometer berechnen.
Dazu ist folgendes zu bedenken:
Beim Michelson-Interferometer läuft die Lichtwelle in jedem der beiden Interferometerarme hin und zurück. Die gesamte Laufzeit innerhalb eines Armes setzt sich also zusammen aus der Summe der Laufzeiten dt'hin und dt'rück:
dt'Michelson = dt'hin + dt'rück
Beim Sagnac-Interferometer laufen die beiden Wellenzüge in entgegengesetzter Richtung durch das Ringinterferometer und der Messeffekt besteht in der Laufzeitdifferenz zwischen den beiden Wellenzügen:
dt'Sagnac = dt'hin - dt'rück
So, - mit diesem Rezept können wir nun die Laufzeiteffekte in beiden Interferometern bestimmen:
und
Na gut, - das wußten wir ja alles schon!
Und vor allem - wir haben immer noch keine Idee warum wir für das Michelsoninterferometer zwar einen Laufzeiteffekt ausrechnen können, obwohl er tatsächlich garnicht zu beobachten ist und warum das beim Sagnacinterferometer funktioniert ?
Um das und alle die anderen Fragen klären zu können, müssen wir noch einen Schritt weitergehen und die Tatsache ins Spiel bringen, dass wir mit den Experimenten als ruhender Beobachter einen Effekt in einem - relativ zu unserer Position - bewegten System messen möchten.
Wir haben uns bislang auf den Standpunkt der klassischen Physik gestellt und vorausgesetzt, dass Geschwindigkeiten, Strecken und Zeitintervalle im bewegten System genau die gleichen sind wie im ruhenden. Als Ergebnis haben wir die Widersprüche zwischen Realität und Theorie erhalten, von den hier schon mehrfach die Rede war.
Also nochmal von vorn:
Wir blicken aus dem "Beobachtersystem" (mit gestrichenen Größen) auf ein relativ zu unserer Position mit der Geschwindigkeit v bewegtes Messystem (mit ungestrichenen Größen) in dem das Experiment abläuft.
Übrigens - niemand verbietet uns das Koordinatensystem so zu legen, dass unsere weiteren Rechnungen möglichst einfach werden; ich möchte deshalb die x-Achsen parallel zur Bewegungsrichtung v des Laufzeitexperimentes legen:
______________
(Achtung und bitte nicht verwechseln - die hier eingezeichneten (ungestrichenen !) Größen beziehen sich auf das mit der Geschwindigkeit v bewegte Messsystem !)
Im letzten Kapitel dieser Website finden Sie eine Einführung in die speziellen Relativitätstheorie, wo ich versuchen werde, Ihnen diese und ähnliche Transformationen plausibel (nicht "verständlich") zu machen; bis dahin müssen Sie mir einfach glauben, oder in der einschlägigen Literatur nachblättern!
Achtung - bitte nicht verwechseln: bei co handelt es sich um die Vakuumlichtgeschwindigkeit (Naturkonstante!) und nicht um die Signalgeschwindikeit c' bzw. c - obwohl die Signalgeschwindigkeit in einigen Fällen identisch mit co sein kann, müssen wir das streng unterscheiden !
Wir müssen bei diesen ganzen Rechnungen höllisch aufpassen in welchem Bezugssystem wir uns gerade befinden: im ruhenden Systems des Beobachters (gestrichene Größen), oder im bewegten Messystem (ungestrichene Größen) --> d.h. die Beziehungen hier auf der rechten Seite beschreiben den Laufweg s und den Winkel des Lichtsignals im (ungestrichenen) Messsystem aus der Sicht des Beobachters im gestrichenen Ruhesystem.
Bei dieser Anordnung muß nun nach Ansicht von Herrn Einstein zwischen dem bewegten (x,y,z) und dem ruhenden Koordinatensystem (x', y', z') eine relativistische Korrektur berücksichtigt werden:
mit:
...alle anderen Koordinaten bleiben so wie sie sind.
D.h. das Streckenelement ds' transformiert sich so:
oder nach einigen Umformungen:
mit : --->
Für die Beziehung zwischen dem Winkel im bewegten System und dem Winkel im ruhenden System ergibt sich daraus:
und mit:
Wenn wir diese Ausdrücke für das Streckenelement ds' und in die obige Beziehung für die Signallaufzeiten dt'hin/rück einsetzen, dann erhalten wir - nach "einigen" Umformungen:
So, - fertig !
Was haben wir erreicht ? --> Wir sind jetzt in der Lage als ruhender Beobachter die Signallaufzeit in einem bewegten Messystem zu ermitteln!
Keine Panik - wir werden in den nächsten Abschnitten den Ausdruck für die Signallaufzeiten dt'hin/rück durch Einführung von Spezialfällen ganz erheblich vereinfachen - und um Sie bei Laune zu halten, möchte ich hier gleich das Resultat unserer Bemühungen vorweg nehmen. Wir werden zeigen:
- es gibt keinen Michelsoneffekt !
- die Größe des Sagnaceffektes entspricht genau der klassischen Rechnung !
und sehr bemerkenswert !!!
- der Sagnaceffekt ist unabhängig von der Signalgeschwindigkeit !
- der Sagnaceffekt kann nur als rein relativistischer Effekt interpretiert werden !